Tierschutzgesetz
„Eine der blamabelsten Angelegenheiten der menschlichen Entwicklung ist es, dass das Wort Tierschutz überhaupt geschaffen werden musste.“ Theodor Heuss, 1. Bundespräsident 1949-1959
In dem 2013 überarbeiteten und verabschiedeten Tierschutzgesetz und der Tierversuchsordnung werden Tierexperimente geregelt.
§1 des deutschen Tierschutzgesetzes (TSchG) besagt, „dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf.“ Ein vernünftiger Grund liegt vor, wenn er als „triftig, einsichtig und von einem schutzwürdigen Interesse getragen anzuerkennen ist und wenn er unter den konkreten Umständen schwerer wiegt als das Interesse des Tieres an seiner Unversehrtheit und seinem Wohlbefinden.“
§7 und §7a definieren Tierversuche als „Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken, die mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die Tiere verbunden sein können.“ Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie unerlässlich und ethisch vertretbar sind und es ist zu prüfen, „ob der verfolgte Zweck nicht durch andere Methoden oder Verfahren erreicht werden kann.“
Doch das TSchG verwaltet die Tierversuche nur, verhindert sie jedoch nicht. Wissenschaft und Forschungsfreiheit zählen mehr als Tierwohl. So erlaubt §7a Abs.1 Nr. 1 explizit die „Grundlagenforschung“ (vergleiche Lexikon). Diese definiert sich als nicht zweckgebundene Forschung, was konkret bedeutet, dass sie keinen Nutzen für den Menschen haben muss. Das deutsche Tierschutzrecht basiert auf EU-Vorgaben. Die 2010 in Kraft getretene EU-Richtlinie zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere 2010/63/EU (kurz: Tierversuchsrichtlinie). Alle EU-Staaten mussten die Vorgaben bis 2012 in nationales Recht überführen. Deutschland hat dies mit der Neufassung des Tierschutzgesetzes und einer neuen Tierversuchsverordnung getan. Allerdings attestiert ein Rechtsgutachtens von 2016 18 gravierende Verstöße bei der Umsetzung zulasten der Tiere Laut EU-Tierversuchsrichtlinie sollen z.B. alle Tierversuche genehmigungspflichtig sein. Das TSchG unterscheidet jedoch eine Anzeige- und Genehmigungspflicht von Tierversuchen. Anzeigepflichtig sind toxikologische Untersuchungen (z.B. Medikamententestung), Impfstoffprüfungen sowie Versuche zur Aus-, Fort- und Weiterbildung.
Die Genehmigungspflicht bezieht sich auf die Grundlagen- und Arzneimittelforschung. 2015 lag der Anteil der gesetzlich vorgeschriebenen Tierversuche bei 22,5 % (siehe Tierversuchsstatistik im Lexikon).
Die zuständige Behörde bzw. das Regierungspräsidium soll die Unerlässlichkeit des Tierversuches prüfen, die in einem Genehmigungsantrag erklärt werden muss. Der Genehmigungsantrag beruht auf den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des TSchG u.a. zur Unerlässlichkeit, zum Zweck und Darlegung der ethischen Vertretbarkeit des Versuches. Sind alle Formalitäten erfüllt, d.h. ist der Antrag korrekt ausgefüllt, ist die Genehmigung zur Durchführung des Versuches laut Gesetzestext zu erteilt. Eine Abwägung zwischen dem Leid des Tieres und dem potenziellen Nutzen wie es die EU-Richtlinie versieht wird den deutschen Behörden nicht ermöglicht.
Ein weiterer der 18 oben genannten Verstöße betrifft die „schwersten“ Tierversuche (vergleiche Schweregrad im Lexikon). Die sind laut EU-Richtlinie nur in Ausnahmefällen zu genehmigen. Das TSchG sieht hier jedoch keine maßgebliche Regelung vor, so dass auch die leidvollsten Tierversuche regelmäßig und nicht nur in Ausnahmefällen stattfinden können.
Es handelt sich um einen reinen Verwaltungsakt. Das heißt, es wird von staatlicher Seite weder geprüft, ob es tierversuchsfreie Methoden gibt noch ob eine Notwendigkeit besteht. Die Behörde kann aufgrund mangelnder Kapazität nicht fachlich und wissenschaftlich für alle Arten von Tierversuchen über die verfügbaren Alternativmethoden Kenntnis haben. Zur Einschätzung der ethischen Vertretbarkeit steht eine ehrenamtliche §15-Kommission (vergleiche Lexikon) beratend zur Seite. Deren Votum muss von der Genehmigungsbehörde jedoch nicht in die Entscheidung einbezogen werden.
Seit 2013 dürfen an Tieren getestete Kosmetika und deren Inhaltsstoffe nicht mehr in die EU eingeführt werden. Das ist ein großer Fortschritt nach jahrzehntelanger Arbeit der Tierversuchsgegnerverbände, denn erstmals wurde ein Teilbereich der Tierversuche – wenn auch ein winziger – EU-weit entgegen massiver Lobbyinteressen konkret verboten. Zusammenfassend schützt das deutsche Tierschutzrecht die Tiere im Labor nicht, sondern verwaltet Experimente an ihnen nur.
Weiterführende Literatur:
"Infos zum Tierschutzgesetz"
"Hintergrundinfos Tierversuchsrichtlinie"
"Kosmetik und Tierversuche"
Vodcast zum Thema Tierschutzgesetz
Quellennachweis:
https://www.gesetze-im-internet.de/tierschg/index.html
https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tierschutz/tierschutzforschungspreis.html